Interview – Jutta Steinkellner

„Wir sollten bei allem was wir tun, bewusster werden und uns kritisch mit unserem Konsumverhalten auseinandersetzen.“

Jutta Steinkellner ist in der Wirtschaftskammer Kärnten verantwortlich für den Bereich Service. Sie und ihr Team beantworten tagtäglich Fragen zu den Hilfsmaßnahmen der Regierung…

Die weltoffene Powerfrau hat ein gutes Gespür für die wichtigen Dinge im Leben. Was aus ihrer Sicht die zentralen Themen der Krise sind und was sie auch nach der Krise beibehalten möchte, erzählt sie uns im Interview.

Was hat sich seit Beginn der Krise für dich persönlich und/oder dein Unternehmen verändert? Hat sich was verändert?

Ja, wie bei den meisten von uns, hat sich auch bei mir, seit Ausbruch der Corona-Krise, einiges verändert – sowohl beruflich als auch privat.

Beruflich: Ich arbeite in der Wirtschaftskammer Kärnten und bin hier für den Bereich Service (Abteilung Servicezentrum) verantwortlich. Seit Ausbruch der Corona-Krise ist mein gesamtes Team im Dauereinsatz. Wir haben in kürzester Zeit eine Corona-Hotline für Unternehmer eingerichtet und beraten seit Mitte März durchgehend zu den Hilfspaketen der Regierung.
Ich selbst arbeite auch immer wieder in der Hotline mit und bin, wie meine Kolleginnen, sehr stark gefordert – auch emotional. Die Belastung ist für alle Mitarbeiter groß, da wir sehr viele verzweifelte Menschen beraten und beruhigen müssen. 
Fast alle Mitarbeiter in der WKK arbeiten nun entweder in der Hotline oder in der Förderabwicklung (Härtefallfonds) mit. Alle weiteren Projekte, die für das Jahr 2020 geplant waren, wurden bis auf Weiteres gestoppt. So auch das Thema Nachhaltigkeit. Apropos Nachhaltigkeit: Vor der Krise hat die WKK begonnen, das Thema Nachhaltigkeit zu verankern und aufzubauen. Im Moment redet natürlich niemand mehr davon, obwohl es aber aus meiner Sicht ein ganz zentrales Thema ist.
Stichwort: Was lernen wir als Gesellschaft aus der Krise? Wollen wir wirklich so weitermachen wie vor der Krise?

Was ich derzeit als sehr positiv erlebe, ist der Zusammenhalt und die Zusammenarbeit unter den Kollegen im gesamten Haus. Alle helfen einander und sind, trotz hoher Beanspruchung und räumlicher Trennung, sehr positiv gestimmt. Wir alle arbeiten im Home-Office, was von mir persönlich und auch von vielen Kolleginnen positiv empfunden wird. Es funktioniert.
Auch bei der Digitalisierung wurde ein großer Schritt nach vorne gemacht. Skype-Meetings gehören mittlerweile ganz selbstverständlich zum Alltag –  auch bei jenen, die dieses Instrument vorher strikt abgelehnt haben. Ich gehe davon aus, dass diese Entwicklung nachhaltig sein wird.

Persönlich: Tja, wie bereits gesagt, arbeite ich seit Ende März von zu Hause aus. Und das ist wahrscheinlich schon die wichtigste Änderung, die eingetreten ist. Mein Mann, mein Sohn und meine Stieftochter arbeiten auch von zu Hause. Das heißt, unser Haus ist voll. Gottseidank haben wir genug Platz – jeder kann sich in sein Zimmer / Büro zurückziehen und wir kommen uns nicht in die Quere. Zu Mittag wechseln wir uns mit dem Kochen ab. Gegessen wird dann gemeinsam.  Das ist eine ganz neue, schöne Erfahrung. Und natürlich freut sich unsere Hündin Ally, dass jetzt immer alle da sind. 
Der Alltag vor der Krise war geprägt von Terminen, sehr viel Hektik und Verpflichtungen (auch privat).  Insgesamt ist unser Leben ruhiger und entschleunigt geworden –  und das, obwohl wir alle unserer Arbeit nachgehen. Das liegt daran, dass einige private Termine weggefallen sind; kein Tennistraining, keine Musikproben, keine Treffen mit Freunden,….
Obwohl wir uns schon alle auf die Zeit nach Corona freuen, möchte ich für mich doch einiges von dieser privaten Ruhe mitnehmen. 


Gibt es für dich auch positive Aspekte der aktuellen Krise (natürlich ohne Berücksichtigung der dramatischen gesundheitlichen Auswirkungen)?

Ja, wie bereits oben erwähnt…
Das Familienleben ist viel entspannter. Es gibt kein hin- und her hetzen zwischen Arbeitsplatz, privaten Terminen und daheim.  Jeder der Kinder hat kennt das – vom Flötenunterricht zum Tanzunterricht und dann weiter zum Kindergeburtstag. Durch das Wegfallen vieler Termine gibt es eine neue Ruhe und auch weniger Konflikte. Außerdem ist die Morgenroutine viel relaxter. Ich erspare mir jeden Tag eine Stunde im Auto, um zur Arbeit zu kommen.
Auch positiv zu erwähnen ist, dass wir gesünder essen. Wir überlegen uns jeden Tag, was wir am nächsten Tag kochen möchten und planen und bereiten das dann auch entsprechend vor.

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Hat aus deiner Sicht in der Wirtschaft, in der Politik bzw. in deinem privaten Umfeld ein Umdenken Richtung nachhaltiger Entwicklung stattgefunden? -> sprich Regionalität, Kaufverhalten, Einstellung zur Globalisierung,… 

In der Politik merke ich, ehrlich gesagt, noch wenig. Aus meiner Sicht sind alle so mit der Krise beschäftigt, dass noch niemand Zeit gefunden hat, sich über die nahe Zukunft Gedanken zu machen. Ich habe wirklich Sorge, dass nach der Krise wieder alle sehr schnell zu den alten Mustern zurückkehren werden. Aus meiner Sicht wäre das jetzt die große Chance für unsere Gesellschaft, aus der alten Spirale auszubrechen. Wir müssen nachdenken, wie wir in Zukunft leben und wirtschaften wollen. Wie gehen wir mit unseren Mitmenschen vor allem den Kindern und den Alten um, wie mit unserer Umwelt, den Tieren etc. Auf welche Kosten leben wir unser Leben? Was kostet uns die Globalisierung, was bringt sie uns? Es geht in Zukunft um qualitatives Wachstum und ein wirtschaftlich starkes Europa.

Im privaten Umfeld bemerke ich ein großes Umdenken. Das Einkaufsverhalten hat sich verändert – vor allem beim Einkauf von Lebensmitteln. Viel mehr Menschen beginnen auch stärker über die globalen Zusammenhänge & Lieferketten nachzudenken. Ob diese Einstellung auch bleiben wird, wenn es nach der Krise den Menschen wirtschaftlich schlechter gehen wird, weiß ich nicht.


Ist es aus deiner Sicht erstrebenswert zur Situation „vor Corona“ zurückzukehren, oder sollte sich etwas verändern – regional/global/privat/in der Wirtschaft?

In vielen Punkte wünsche ich mir eine Rückkehr zur Normalität…
Stichworte: Reisefreiheit, Freunde treffen, ohne Maske einkaufen gehen, keine Ausgangsbeschränkungen; generell das Gefühl zu haben, frei zu sein und sich nicht vor Ansteckungen fürchten zu müssen.
Und ich wünsche mir wieder eine offene Gesellschaft. Das alles wünsche ich mir vor allem für unsere Kinder. Meine Jugend fand in den 80er/90er Jahren statt – die Welt hat sich in dieser Zeit geöffnet, die Mauern sind gefallen; alles schien grenzenlos. Jetzt ist genau das Gegenteil der Fall und ich befürchte, dass unter dem Aspekt der Sicherheit und Gesundheit vieles, was wir kannten, nicht mehr möglich sein wird.
Wir sollten bei allem was wir tun, bewusster werden und uns kritisch mit unserem Konsumverhalten auseinandersetzen.
Die neue Entschleunigung, vor allem im privaten Bereich, möchte ich auch in der Zeit nach Corona nicht verlieren. Ich möchte bewusster mit meiner Zeit umgehen.


Was wirst du als erstes tun, wenn die Ausgangsbeschränkungen aufgehoben werden?

Nach Mörbisch fahren und segeln (wenn das Wetter passt).

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Juttas´s Tipp zum Runterkommen:
Viel Bewegung an der frischen Luft und die Natur bewusst genießen

Vielen Dank für das Interview!!

#letsmaketheworldabetterplace – togehter!

Foto Header: Alex Wieselthaler